Warum sich die Menschen nicht gegenseitig verurteilen und richten sollen und das auch nicht können

Wenn der Mensch Andere aufgrund ihres Verhaltens oder ihrer Taten verurteilt, meint er sich in Wahrheit immer selbst. Denn ihre moralische Qualität erhalten unsere Taten durch die ihnen zugrundeliegenden Motivationen und die sind für Beobachter von außen nicht erkennbar. Man kann nicht in Andere hineinschauen und die Motive für ihr Handeln erkennen, uns sind nur unsere eigenen Motive zugänglich, d.h. wir können nur von uns selbst wissen, welche Motivationen in der Regel zu welchem Handeln führen. Deswegen verurteilt man, wenn man das Verhalten Anderer verurteilt, immer nur die eigenen Handlungsgewohnheiten, denn nur die sind einem bekannt. Die Menschen können es von außen nicht beurteilen, ob ein Anderer sich wirklich schuldig macht, weil ihnen dafür das Wissen und die Informationen fehlen.

Die Menschen sollen sich deswegen nicht gegenseitig zum schlechten oder guten Menschen erklären, beides beruht nicht auf Wissen und führt in Wahn und in die Irre.

Weil es sich nicht beurteilen lässt, ob ein Anderer zu loben oder zu tadeln ist, hält man im Alltag diejenigen, die zu einem selbst freundlich sind, oder die einem sympathisch sind oder die gleiche Meinung haben, für gute Menschen, während man unfreundlichen oder unsympathischen Menschen tendenziell alles zutrauen würde. Es bleibt einem nichts anderes übrig weil kein echtes, auf Wissen beruhendes Urteil möglich ist.

Auch aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann man den Menschen nicht moralisch beurteilen, denn im Evangelium heißt es, dass von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, eine mitgenommen wird und eine zurückbleibt und von zweien, die auf demselben Bett schlafen, ebenfalls einer mitgenommen wird und einer zurückbleibt. Das lässt sich auf alle Gruppen ausweiten, die sich aus Menschen bilden lassen, für alle gilt: Einer wird mitgenommen und einer bleibt zurück. Der Volksmund sagt: ‚Es gibt überall Solche und Solche‘, das gilt für alle möglichen Gruppen, z.B. für die Mitglieder der europäischen Grünen-Parteien oder der kommunistischen Partei Chinas, die Besucher eines Rechtsrockkonzerts, die Insassen eines Gefängnisses, die Geistlichen aller Konfessionen, die Gesamtheit der Juden, Christen, Muslime oder Hindus, für alle gilt: Einer wird mitgenommen und einer bleibt zurück.

Wenn also Politiker ihre in- oder ausländischen politischen Gegner verteufeln und sie z.B. zur ‚Achse des Bösen‘ oder zum ‚kleinen‘ oder ‚großen Satan‘ (laut iranischem Regime Israel und USA) oder dergleichen erklären, weil diese andere Interessen verfolgen und die eigenen Interessen angreifen, sprechen sie ohne Wissen und ohne Bewusstheit und meinen sich am Ende immer selbst, nur begreifen sie es nicht. Eine Auseinandersetzung zwischen Menschen ist nie eine Auseinandersetzung zwischen den Guten und den Bösen, wie es in Filmen oft dargestellt wird, denn dieser Kampf zwischen den heil- und den schadbringenden Mächten findet im Innern jedes Einzelnen statt und nicht zwischen den Menschen, Parteien oder Gruppen von ihnen in der äußeren Welt. Denn der Widersacher kämpft mit dem inneren Menschen, mehr oder weniger stark ausgeprägt.

Jeder Mensch sieht in Anderen also das, was er selbst in sich hat, denn wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund. Anhand seines Redens über andere Menschen lässt sich erkennen, was für ein Mensch einer selbst ist. So sehen hochmütige, verblendete und anmaßende Menschen in anderen, die ihnen nicht mit der ihnen ihrer Meinung nach gebührenden Hochachtung und Unterwürfigkeit begegnen, immerzu ihren eigenen Selbstdünkel, was sich in den weit verbreiteten Aussprüchen äußert, wie: „Für wen hält der sich!“ oder „Was glaubt der eigentlich, wer er ist?“ usw. Diese und alle anderen Äußerungsformen dieser charakteristischen Art sind die typische Rede von Menschen, die im Innern und in ihrem Denken selbst anmaßend gesinnt sind. Denn durch ihren eigenen Mund sprechen sich die Toren ihr Urteil ohne es zu begreifen. Weil sie ganz in Selbsttäuschung und Wahn sind und keine Nüchternheit und keinen Realitätssinn mehr haben, sehen sie in allen anderen ihr eigenes verkehrtes Wesen. So verhält es sich mit allen derartigen Unterstellungen, Anklagen oder Unmutsäußerungen. Diejenigen, die andere anklagen, sind immer selbst die Beklagten, denn sie klagen sich in Wahrheit selbst an. Wer andere verurteilt wird deshalb am Ende in dem, worin er andere verurteilt hat, selbst verurteilt denn das Urteil wird den Menschen aus ihren eigenen Worten gesprochen.