Wofür gibt es das Leid?
Alles, was Gott schafft, erfüllt einen Zweck und er handelt nie willkürlich, ungerecht oder sinnlos an den Menschen. Mit allem, was er tut, beabsichtigt er etwas und er tut nichts grundlos oder ohne Notwendigkeit.
Das Leid wird oft als großes Unglück oder als Strafe empfunden, aber in Wahrheit ist es etwas sehr Nützliches für den Leidenden, auch wenn das ein akut Leidender nicht immer hören will. Denn solange es einem Menschen gut geht und solange er Erfolg mit den Vorhaben hat, die er im Leben unternimmt, stellt er nicht die Frage danach, ob er wirklich auf dem richtigen Weg ist, denn der Erfolg gibt ihm in seinen Augen Recht. Erfolgreiche Menschen erwarten nie eine Strafe für ihr Tun, oder dass ihr Lebenswandel ernste Folgen für sie hat, sie fühlen sich immer rechtgeleitet und von Gott bevorzugt denn so wie sie bisher für ihr Tun scheinbar immer belohnt wurden, so erwarten sie auch nichts anderes für ihre Zukunft. Denn so sind sie es gewohnt und das ist ihre Erfahrung.
Die Menschen werden, wenn ihnen vieles gelingt, oft auch leichtfertig, hoch- oder übermütig, daher der häufige Ausspruch an Übermütige: „Dir geht’s wohl zu gut.“
Solange man Erfolg hat, hinterfragt man sein Tun nicht. Erst wenn der Mensch Misserfolge oder Rüchschläge erlebt, wenn er z.B. durch eine Krankheit leidet oder anderes Unglück ihn trifft, fängt er an, seine Wege grundsätzlich zu hinterfragen. Deswegen hat Gott ein Volk, zu dem er einen Propheten entsandt hat, auch immer gleichzeitig mit Unheil und Entzug an Gütern heimgesucht, weil das die Bereitschaft der Menschen zur Umkehr erhöht, denn sie nehmen die Worte der Propheten dann wirklich ernst. Solange es dem Volk gut geht, sieht niemand eine Notwendigkeit, die eigenen Wege zu hinterfragen oder zu ändern. Deswegen ist auch das Unheil, das in den apokalyptischen Schriften für unsere Zeit angekündigt ist, nötig und letztlich zum Heil der Menschen, weil es Viele zur Umkehr bewegt, was ihnen letztlich den größten Nutzen bringt, den man in der Welt erlangen kann, nämlich die Erlösung und das Leben.
Leid ist also nie sinnlos und Menschen, die mehr leiden als Andere sind nicht von Gott bestrafte oder verworfene Menschen, sondern im Gegenteil, Gott will bei ihnen mehr als bei den anderen, dass sie umkehren und sich läutern, er verwendet mehr Mühe auf sie und ist ihnen näher, denn nie ist der Mensch Gott näher als im Leid. Viele Menschen fangen erst in Krisensituationen an zu beten, weil ihnen dann bewusst wird, dass sie auf Gottes Hilfe angewiesen und vollständig in seiner Hand sind.
Diejenigen, die scheinbar das bessere Los gezogen haben und denen alles, was sie anfangen, gelingt, gelten unter den Menschen wegen ihres Erfolges oft als glücklich und beneidenswert, sie sind aber in Wahrheit die, die Gott in die Irre gehen lässt und um die er sich weniger kümmert, so wie sie sich auch um Gott und alle anderen grundsätzlichen Lebensfragen selbst nicht kümmern. Grundsätzliche Fragen sind ihnen oft unangenehm und sorgen bei ihnen für Unwohlsein, dunkle Befürchtungen und Beunruhigung weshalb sie sie oft meiden. Sie werden am Ende nur Verlust von ihrem scheinbaren irdischen Erfolg haben, weil sie im Leben nicht geläutert wurden und so in die Irre gingen. Sie kamen leer in die Welt und verlassen sie auch leer wieder, d.h. ohne jedes Verdienst. Für sie ist das Dasein wirklich sinnlos. Die Läuterung und auch die Prüfung (siehe hierzu das Buch Hiob) sind die beiden Hauptfunktionen des Leides in der Welt.
Auch das Feuer, in das die Sünder nach dem Gericht kommen, hat diese Funktion der Läuterung, denn ohne die bösen Folgen der Taten am eigenen Leib zu spüren, ist keine echte Reue und keine Umkehr möglich. Wer für sein schlechtes Tun noch belohnt wird oder wem alle Schuld einfach erlassen wird, der kehrt innerlich nicht um, sondern er nimmt die Prüfung und das Gericht nicht mehr ernst und fühlt sich darüber erhaben. Zum Gericht werden die Menschen dann einen anderen Geist bekommen, sie werden klar einsehen, was sie getan haben und sie werden das Leid und Unheil, das sie trifft, als gerechte Strafe annehmen. Niemandem geschieht Unrecht, jedem werden nur seine eigenen Taten vergolten und das werden alle akzeptieren.
Würde den Sündern im Gericht alle ihre Schuld einfach vergeben und würde sie ihnen nicht vergolten, so wie es die große Hoffnung der Sünder ist, würden am Ende im Gericht die Sünder über die Gerechten triumphieren. Denn die Gerechten leiden unter den Sündern in der Welt weil diese überall den Ton angeben und allen Menschen ihre üblen Regeln und Umgangsformen aufzwingen. Für die Gerechten ist das Dasein in dieser Welt mit viel Verzicht, Enttäuschung und Drangsal verbunden und ihr großer Trost ist dabei, dass sich die Dinge am Ende durch Gottes Eingreifen zu ihren Gunsten wenden und dann auch sie zu ihrem Recht kommen. Würde den Gottlosen ihr jetziger Wandel nicht vergolten, wäre es wirklich besser, ein schlechtes Leben zu führen, weil man dann sowohl im Diesseits als auch danach viele Vorteile hätte. Das ist es, was die Gottlosen glauben und für sich erwarten, sie halten die Drohungen Gottes für leere Worte, die sich nie erfüllen werden und die die Gerechten und die Verlierer sich als Trost erfunden hätten. Würden den Sündern zuletzt ihre Taten nicht den Ankündigungen gemäß vergolten, würden sie in ihrem Irrglauben bestätigt, in allem auf dem rechten Weg zu sein und die Gerechten würden mit ihren Hoffnungen schließlich verworfen. Deswegen heißt es an vielen Stellen in der Schrift, dass die Vergeltung der Sünden feststünde und sicher so kommt, wie sie in der Bibel und im Koran immer wieder angekündigt ist.
Der Mensch will für sich Gutes immer im Hier und Jetzt, weil für uns nur das gerade Gegenwärtige real ist, aber Gott will für uns das Wohlergehen in der künftigen Welt, weil es dort dauerhaft bleibt. Alles, was wir hier erreichen und uns aneignen vergeht wieder, es wird am Ende so sein, als wäre es niemals gewesen. Das einzige, was aus dieser Welt Bestand hat und echte Auswirkungen auf unsere Lage und unseren Zustand hat, ist die moralische Wertigkeit der eigenen Handlungsgewohnheiten und des eigenen Lebenswandels, denn das ist es, was letztlich über unser Wohlergehen in der folgenden dauerhaften Existenz entscheidet. Denn das Heil in der zukünftigen Welt, das Gott für uns vor Augen hat, bleibt dann dauerhaft und für die, die es erlangen, werden das Leid und die Übel, die sie im jetzigen Leben erlebt haben, so sein, als hätte das alles sie nie getroffen. Es wird vergessen sein und wird auch nicht wiederkommen. Für die Sünder werden dagegen die Vorzüge des Diesseits vergangen sein und es wird sein, als hätten sie sie nie genossen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten, heißt es.