Die Sünde und was sie wirklich bewirkt
Die Szene vom sogenannten Sündenfall schildert nicht nur ein historisches Ereignis, sondern enthält auch alle Elemente, die bei jeder Sünde, die in der Welt getan wird, vorhanden sind.
Denn jede Sünde wird von Täuschung über das wahre Resultat begleitet und meist verspricht sich der Betroffene einen Nutzen, einen Gewinn oder eine Verbesserung seines Zustandes und erhält immer das Gegenteil, jedoch oft, ohne dass ihm das klar ist. Er schadet sich mit der Sünde immer selbst, erleidet Verlust und sein Zustand und seine Lage ist nach der Sünde immer schlechter als vorher. Damit er die Sünde trotzdem und auch weiterhin begeht, braucht es die Täuschung und eine Überredung oder einen anderen Impuls von außen, entweder durch andere Menschen, die vom Widersacher dazu benutzt werden, oder durch von diesem erzeugte Gelüste, Wünsche oder falsche Hoffnungen im Innern des Menschen selbst. Das Gute erscheint dann als schlecht, verlustvoll oder gewöhnlich und das Schlechte als gut, besonders, originell oder verlockend und die meisten Menschen verbringen ihr ganzes Leben in solchem Wahn, durch den sie das Schlechte für gewinnbringend und vorteilhaft und das Gute für verlustbringend halten.
Zudem wird immer ein Gebot oder Verbot Gottes übertreten denn gut und böse gibt es in der Welt nur dadurch, dass Gott die einen Handlungen verbietet, andere erlaubt oder zur Pflicht macht. Es gibt keinen anderen Prüfstein in der Welt, an dem sich entscheiden ließe, was gut und was böse sein soll, denn ursprünglich sind alle Handlungen moralisch neutral und es ist vernünftig, zu tun, was den größten Nutzen bringt. Nur weil Gott unserem Verhalten Vorgaben macht, unterscheiden wir überhaupt zwischen gutem und schlechtem Handeln. Ohne diese Vorgaben wären alle unsere Handlungen moralisch neutral wir wären keine moralischen Wesen und es gäbe die Unterscheidung zwischen gutem und bösem Handeln für die Menschen nicht. Zudem gilt immer das Prinzip, dass Gott uns manche Handlungen nicht verbietet, weil sie schlecht sind, sondern sie sind für uns schlecht, weil Gott sie uns verboten hat. Gott verordnet, was er will und für die angehörigen einer Religion ist das dann objektiv gültige Wahrheit. Deswegen unterscheiden sich die Gebote der unterschiedlichen Konfessionen in manchen Details, denn Gott hat ihnen mitunter unterschiedliche Normen verordnet, was daran liegt, dass sie unterschiedliche Aufgaben und Rollen im Heilsplan haben.
Liest man das erste Buch Mose (Genesis), dann verwundert es zunächst, dass die darin geschilderte Frühgeschichte eine Geschichte voller Gewalt (Kain tötet Abel), Lug und Trug (Erschleichung des Erstgeburtsrechtes und des Segens durch Jakob usw..) und anderer ähnlicher Dinge ist. Auch mag es verwundern, dass Gott dieses Tun nicht nur nicht kritisiert, sondern mit den so handelnden Akteuren sogar Bündnisse eingeht, sich ihnen in Offenbarungen zu erkennen gibt und ihnen schöne Zukunftsverheißungen gibt. Erinnert man sich aber daran, dass zu dieser Zeit die entsprechenden Gebote noch nicht erlassen waren, wird klar, dass sich die Patriarchen durch solches Handeln vor Gott nicht schuldig gemacht haben. Denn die Zehn Gebote, die u.a. die genannten Handlungen verbieten, wurden erst beim Auszug aus Ägypten offenbart. Es gilt hier also dasselbe Prinzip wie im Strafrecht, nach dem es keine Strafe ohne ein bei der Tat bereits bestehendes Gesetz gibt, d.h. dass jede Sünde eine Übertretung eines zuvor erlassenen Gebotes bedeutet. Auch im Koran wird dieser Grundsatz genannt, denn Gott richtet niemanden, ohne ihm zuvor gesagt zu haben, wovor er sich hüten soll. Wenn also das Tötungsverbot oder das Verbot der Lüge und Täuschung oder des Raubes noch nicht erlassen waren, stellten solche Handlungen vor Gott auch keine Sünden dar. Deswegen gab es auch noch kein Schuldbewusstsein bei den Akteuren in Bezug auf diese Dinge, denn vor dem Erlassen der Gebote waren diese Handlungen moralisch neutral und nicht verboten.
Alle moralphilosophischen Ansätze und Theorien, die in den letzten Jahrhunderten entwickelt wurden, versuchen nicht, zu definieren, was gut und was schlecht ist, sondern sie setzen diese Unterscheidung und Bestimmung als gegeben bereits voraus. Sie nutzen es umgekehrt als Beweis für die Praxistauglichkeit ihrer vorgeschlagenen Theorien, um zu zeigen dass diese bereits als schlecht erkanntes Handeln zuverlässig ausschließen. Sie definieren also nicht, was gut und böse ist, sondern sollen nur Entscheidungswege finden, wie sich im Alltag zuverlässig das Gute wählen lässt oder wie sich das Gute charakterisieren lässt. Sie nutzen also die zuvor bereits vorhandene Unterscheidung zwischen gut und böse, um ihre Theorie plausibel zu machen und als wirksam und zuverlässig zu erweisen. Das lässt sich unter anderem daraus ersehen, dass niemand in der Praxis eine Theorie akzeptieren würde, die Mord, Lüge oder Ungerechtigkeit als erstrbenswerte Handlungsmaximen definiert. Es steht also vor der Bildung jeder Theorie bereits fest, was als gut und als böse bewertet wird und man nutzt dieses bereits vorhandene Wissen umgekehrt als Prüfstein, ob sich ein von jemandem vorgeschlagenes moralphilosophisches Kalkül bewährt.
Die einzige konsistente und in sich stimmige Herleitung der Moralität in der Welt geht von Gott aus, denn von diesem stammen tatsächlich alle Gesetze in der Welt, sowohl die der Natur, als auch die des menschlichen Denkens und Handelns. Er hat sie in uns hineingelegt, wie auch Kant festgestellt hat, denn das moralische Gesetz ist in jedem Menschen bereits vorhanden, auch wenn er sich noch nie darüber Gedanken gemacht hat. Der Mensch ist ein moralisches Wesen, ob er will oder nicht und die meisten Menschen wissen von Natur aus, was richtig und was falsch ist. Wer sein Gewissen nicht verkommen lässt sondern es ausbildet und darauf hört und danach handelt, hat in sich in jeder Situation und Lage einen guten und zuverlässigen Kompass für rechtes und nützliches Tun.