Die Götter der Völker und die Karmalehre in den östlichen Weisheitstraditionen
Es gibt einige typische und oft auftretende Wirkungsweisen der Götter, die Jeder aus seiner eigenen inneren Erfahrung kennt. Ein häufig von diesen Mächten verwendetes Phänomen ist, dass sie einem Betroffenen an einem Tag alles gelingen lassen und dass für ihn in diesem Zeitraum gefühlt alles wie am Schnürchen läuft. Es funktioniert alles, was er unternimmt und vielleicht gewinnt er sogar in der Lotterie oder erreicht etwas, was er schon lange angestrebt hat. Jede Kleinigkeit scheint sich wie von Geisterhand perfekt zu fügen und überall hat man nur Erfolg. Diese wunderbaren Erfahrungen erzeugen eine Hochstimmung, alles bereitet Freude und Probleme oder Schwierigkeiten kommen einem nicht in den Sinn. In früheren Zeiten sagte man, wenn jemand in solch einem Flow war, dass die Götter ihm offenbar wohl gesinnt seien und dass seine Sterne gerade gut stünden.
Auf den ersten Blick sind solche Erlebnisse durchwegs positiv und erstrebenswert, weil sie scheinbar nur Vorteile bringen und wer sich in einem solchen Zustand befindet, wünscht sich keinen Wechsel. Weil solche Stimmungshochs aber tatsächlich von den Göttern bewirkt werden, haben sie auch eine weiniger gute Seite, denn von diesen Mächten gibt es nichts umsonst und ohne Gegenleistung. Denn die Götter wirken nicht nur Positives für die Menschen, sondern auch viel Unheil und wer sich mit ihnen einlässt, verstrickt sich in ihre Bande und erfährt immer die gesamte Bandbreite ihres Wirkens. Solche negativen Gegenleistungen können z.B. sein, dass jemand etwas aufgeben muss, was er liebt oder was ihm sehr wichtig ist. Der Opferkult früherer Zeiten und Völker gehört in diesen Zusammenhang und auch viele negative Erfahrungen und Stimmungen, die jemand erfährt, der sich dem Willen der Götter und ihren Forderungen verweigert. Das Gute, das von ihnen kommt, hat also immer auch negative Konsequenzen, denn nur Gott gibt den Menschen gern, bedingungslos und ohne zu rechnen, wie es im Koran mehrmals heißt.
Auf von den Göttern bewirkte Stimmungshochs, bei denen man innerlich jubilliert, triumphiert oder frohlockt, folgen immer Tiefs, denn diese Mächte sind für alle Stimmungsschwankungen verantwortlich. Oft fühlt man sich in solch einem Hoch voller Tatendrang, Energie und Kreativität und man hat ständig lustige oder anders angenehme, unterhaltende und erheiternde Einfälle. Wer die beschriebenen Hochstimmungen bei sich wohnen und wirken lässt, sie genießt, sich darin sonnt und ihnen nicht entgegenwirkt, um sie loszuwerden und zu beenden, der räumt den Mächten Einfluss und Macht über sich und sein Innenleben ein und verstrickt sich in ihren Banden, was immer in der Zukunft viele unangenehme und unerfreuliche Folgen hat. Denn alles geben die Götter denen, die ihnen nachfolgen, ganz, alle Freuden und auch alle Schmerzen, wie es sinngemäß bei Goethe im Gedicht heißt.
In den östlichen Traditionen kennt man diese Gesetzmäßigkeiten als das Karmagesetz, das auf die beschriebene Weise durch das Wirken der Götter implementiert wird. Denn das Ziel, das in den Upanishaden und in den Lehrreden des Budha genannt wird, ist nicht, nur Positives von diesen Mächten zu erfahren, sondern alle Verflechtungen mit ihnen aufzulösen, alle Verbindungen zu trennen und gänzlich unabhängig von ihnen zu werden, also überhaupt kein Karma mehr zu erzeugen. Viele Dinge, die gegenwärtig auf den ersten Blick vorteilhaft erscheinen, haben in der Zukunft üble Folgen, weil sie den Menschen an die Mächte binden und der Mensch ihnen Macht über sich einräumt wenn er auf ihre Annäherungen eingeht und tut, was sie wollen. Viele Alltagsdinge, die man oft nutzt, ohne sich über die möglichen Folgen im Klaren zu sein, wie z.B. Glücksbringer oder andere magische Gegenstände oder Rituale, gehören in diesen Zusammenhang. Sie bringen kurzfristig oft einen Vorteil oder erfüllen einen Wunsch oder ein Begehr oder bringen einfach nur für den Moment eine gute Stimmung, langfristig verstrickt sich der Mensch aber in Händel, die in der Summe und nüchtern betrachtet nur Nachteile bringen. Denn die anfänglichen Vorteile gehen schnell wieder vorbei und kehren sich oft sogar ins Gegenteil, weil man sich der Willkür von Mächten ausliefert, die ihrer Natur nach nicht nur Wohlwollen und Gutes für die Menschen im Sinn haben, sondern auch herrschlustig und besitzergreifend sind. Auch werden sie mitunter zornig, neidig oder gar rachsüchtig, wenn man nicht alles von ihnen annimmt und tut, was sie verlangen.
In den östlichen Religionen kennt man diese Gesetzmäßigkeiten, wie bereits gesagt, als das Karma-Gesetz, das als solches fix und unveränderlich für unser Dasein in dieser Welt besteht, weil den Göttern ihre Handlungsweisen und -muster an uns Menschen vorbgeschrieben sind. Sie haben bestimmte Vollmachten und Handlungsanweisungen und -vorgaben, die sie nicht übertreten oder abändern können. Das Karmagesetz ist also der Handlungsrahmen für alles Handeln der Götter in der Welt und an den Menschen. Aus Sicht des Menschen scheint das wie ein Naturgesetz, das dem menschlichen Leben und Handeln zugrundeliegt.
Jede Gesetzmäßigkeit, wie auch jedes Naturgesetz, braucht einen Stifter, d.h. eine Macht, die es der Wirklichkeit vorschreibt und die das Geschehen in dieses Gesetz zwingt. Zudem sind auch ausführende Mächte nötig, die es praktisch in der Wirklichkeit umsetzen. Auf diese Weise kommen alle Gesetzmäßigkeiten zustande, die wir kennen. Das Ziel in den östlichen Traditionen ist aus den genannten Gründen, sich aus diesen Verstrickungen mit den Mächten ganz zu befreien und das Hin und Her mit ihnen endgültig zu beenden, also gar kein Karma mehr zu erzeugen, d.h. ihnen kein Anrecht mehr geben, über das eigene (Seelen-) Leben zu bestimmen. Weil die Götter das Karmagesetz praktisch umsetzen, werden mit ihrer Entmachtung im Zuge des Wirkens des Messias auch diese bisher fixen Gesetzmäßigkeiten wegfallen. In der neuen Welt, die in der Bibel auch ‚Reich Gottes‘ genannt wird, wird es also weder Götter noch karmische Verflechtungen geben.
Dieselbe befreiende Wirkung hat es, wenn sich jemand von den Göttern abwendet und dem Gott der Götter, wie er in den Psalmen auch genannt wird, zuwendet und auf diesen hofft und vertraut. Denn diesem geht es ausschließlich um das Wohlergehen der Menschen, er ist nicht missgünstig oder rachsüchtig wie die Götter und gibt dem Menschen alles, was er braucht, ohne dafür eine Gegenleistung zu fordern. Die einzige Bedingung dabei ist, dass der Mensch sich seinen Mitmenschen gegenüber genauso wohlwollend verhält, wie er es selbst von Gott erfährt. Wer sich zu Gott bekehrt, findet für sich Ruhe, Zufriedenheit und hat zudem Anteil an den guten Verheißungen zur zukünftigen Welt, in der die Götter nicht mehr wirken und alle Übel, die sie in diesem Zeitalter brachten, nicht mehr zu finden sein werden. Es bringt also zuletzt und langfristig betrachtet nur Vorteile und keinerlei negative Folgen mehr. Wenn sich jemand von Gott abwendet, also nach dem Glauben wieder ungläubig wird, wird er in der Regel nicht sofort bestraft, sondern in die Hand der Mächte gegeben, die ihm feindlich gesinnt sind und ihm schaden, also in die Hand des Satan oder der Götter. So wächst er nach und nach in der Sünde und die volle Strafe durch Gott wird meist bis zum Tag des Zorns aufgeschoben.
Viele von Gott Rechtgeleiteten leiden in ihrem Leben zwar auch viel und oft sogar noch mehr als die, die sich selbst und ihren üblen Wünschen und Begierden überlassen werden, um in die Irre zu gehen, aber ihr Leid ist nicht sinn- und nutzlos wie das der Irregeleiteten, sondern bringt mittel- und langfristig immer Verbesserungen des Zustandes oder der eigenen Lage. Es ist zudem immer verbunden mit der Hoffnung, dass zuletzt alles Leid für sie endet und sie stattdessen den großen Gewinn erzielen, weil sie in dieser Existenz geläutert und gereinigt wurden. Für die Sünder endet dagegen die Reise in der schmerzlichen Strafe und sie leben immer in dem Bewusstsein, dass es für sie darauf hinauslaufen wird, auch wenn sie es leugnen, wenn die Sprache darauf kommt. Ihr Leid in dieser Welt ist also wirklich sinnlos und nützt ihnen am Ende nichts, weshalb sie auch immer diejenigen für besonders glücklich oder bevorzugt halten, die hier wenig oder gar nicht leiden.
Die Wahrheit wird zum Schluss offenbar und es wird sich zeigen, dass die, die sich als die großen Sieger wähnten und nur Gutes für sich erwarten, am Ende im großen Verlust sein werden weil sie keinerlei Verdienst vorzuweisen haben. Sie sind leer in die Welt gekommen und versuchen, sie leer wieder zu verlassen, wie es im Evangelium heißt.
Auch die Verstrickungen mit dem Satan funktionieren nach solchen Prinzipien, denn auch hier erfährt man die Folgen seines Handelns in einem Lebensbereich teilweise in ganz anderen Bereichen, sodass man den Zusammenhang nicht herstellen kann und die Ursache-Wirkungs-Wechselwirkungen nicht erkennen kann. Darum ist es geradezu unmöglich, Probleme, die einem in einem Bereich plagen, auch allein und gezielt in diesem Bereich anzugehen. Wenn z.B. ein Geistlicher von pädophilen Neigungen geplagt und zu Fehlverhalten getrieben wird, dann hilft es in der Regel nicht, dafür zu beten, dass Gott einen von diesen Neigungen befreit oder zu versuchen sein Verhalten in diesem Bereich gezielt zu verändern. Denn alle derartig in solchen Banden Gefangenen werden nichts unversucht lassen, ihre Neigungen loszuwerden und Viele beten wohl auch dafür, den Geschlechtstrieb ganz zu verlieren, denn sie brauchen ihn ja eigentlich nicht, oder nehmen schwere Bußübungen auf sich. Weil die Ursachen für solche Verstrickungen aber nie kausal mit den Folgen in Verbindung gebracht werden können, ist solch ein gezieltes Vorgehen selten erfolgreich, wodurch vermutlich auch viele Betroffene ihr Schuldbewusstsein verlieren. Denn sie denken sich dann Dinge wie: ‚Wenn Gott mir nicht hilft und der Geschlechtstrieb weiterhin so wirkt, dann ist es vielleicht nicht so schlimm oder gar keine Sünde. Denn wenn es übel wäre, würde er ihn ja wegnehmen.‘ Viele fühlen sich vielleicht auch Gott gegenüber im Recht, wenn sie ihren Neidgungen weiterhin nachgeben, weil sie ja jederzeit bereit wären, auf vieles zu verzichten, wenn Gott, was ja in seiner Macht stünde und für ihn kein Aufwand wäre, diese Bitten erhören würde. Wenn man in solchen Verwicklungen einmal gefangen ist, ist es sehr schwer sich daraus zu befreien, aber es ist möglich und wer ernsthaft in Erfahrung bringen will, welche Verstrickungen es sind, die ihn daran binden, dem wird das oft auch innerlich deutlich gemacht. Oft wären aber Änderungen nötig, zu denen der Betroffene nicht bereit ist oder die ihm zu viel abverlangen würden oder die ihm gar als falsch erscheinen. Deswegen heißt es im Evangelium auch, dass der, der das Reich Gottes gewinnen will, bereit sein muss, alles zu dieser Welt gehörende aufzugeben.