Wird die Welt wirklich komplexer oder findet die viel beobachtete Veränderung nicht vielmehr an anderer Stelle statt?
Man hört vor allem Wissenschaftler, Politiker und andere Menschen, die in der Öffentlichkeit gehört werden und etwas gelten wollen, oft betonen, dass die Dinge komplex seien und dass es für aktuelle Problemfragen keine einfachen Lösungen gäbe. Verlautbarungen dieser Art sind im Moment in aller Munde und sie werden überall wiederholt.
Dabei sind alle Problemlösungen immer einfach, denn wenn eine unübersichtliche Sachlage aufgelöst wird, ist das immer eine Vereinfachung und geht mit einer Vergrößerung der Klarheit einher. Das, was man ganz versteht, erscheint einem immer einfach, so wie einem auch alle Tätigkeiten, die man sicher beherrscht und alle Verrichtungen, an die man gewöhnt ist, leicht fallen.
Diese Betonung, dass die Welt immer komplexer würde, heißt nicht, dass sich alles um uns herum tatsächlich verkomplizieren würde, denn die Welt war schon immer vielfältig und für uns nur eingeschränkt zu überblicken denn auch die Dinge, die man als große Neuerungen ansieht, sind in Wahrheit nie wirklich neu. Diese Klage über die angebliche zunehmende Verworrenheit der Dinge drückt vielmehr aus, dass die führenden Modelle und Erklärungsmuster der Wissenschaften die Realität nicht mehr stichhaltig erklären können. Denn die Kompliziertheit der Welt verändert sich nicht, sondern es mehrt sich nur immer mehr der Irrtum in den Lehrmeinungen und Paradigmen der Forscher und Erklärer. Denn wenn die Wissenschaften die Welt wirklich immer bessser erklären würden und man sie dadurch immer besser verstünde, wie wissenschafts- und fortschrittsgläubige Menschen in der Regel behaupten, dann müsste die Welt den Erklärern immer einfacher erscheinen. Es ist aber das Gegenteil zu hören, denn überall wird über die zunehmende Komplexität und Verworrenheit geklagt.
Diese gefühlte Zunahme an Komplexität kommt dadurch zustande, dass sich zugleich mit dem Wissen auch immer der Irrtum mehrt. Denn das Detailwissen der Menschheit über die Welt nimmt zu, es gelingt den Forschern vor allem durch neue Techniken und Methoden, gleichsam immer tiefer in die Wirklichkeit hineinzuschauen, wodurch sich das Detailwissen ausweitet. In dieser unserer Welt, in der es Irrtum und Irreführung gibt, ist es aber so, dass zu jeder neuen Einsicht, zu der der Mensch gelangt, auch immer eine verkehrte Alternative hinzugefügt wird, die sich nicht immer scharf vom Zutreffenden trennen und unterscheiden lässt. Dadurch mehrt sich zugleich mit dem Wissen der Menschen immer auch im selben Maße der Irrtum. Weil dadurch die Sachlage oft verwirrt wird, erscheint den Menschen das Bild, das sich ihnen bildet, zunehmend verworrener und undurchsichtiger, d.h. komplexer. Dadurch geraten viele Forscher auf inhaltliche Holzwege und je tiefer jemand in die Wirklichkeit vordringt, umso größer ist für ihn die Gefahr, dass ihm solche Fehlurteile unterlaufen. Dadurch kommen viele irrige Überzeugungen und Theorien zustande, denn je mehr der Mensch weiß, umso wahrscheinlicher wird es auch, dass er sich in seinen Schlussfolgerungen oder Grundannahmen, die sich selten überprüfen oder sicher belegen lassen, irrt.
Das ist so auch vorhergesagt, denn die Weisheit der Weisen ist in vielen Fällen zur Narrheit geworden. Die Menschen entfernen sich in ihren Erklärungen der Welt immer weiter von der Wahrheit und der Realität, was sie selbst lautstark überall beklagen, denn sie verstehen die Welt nicht immer umfassender oder genauer, wie es oft kolportiert und behauptet wird, sondern eher weniger gut. Das empirisch gewonnene Detailwissen in den einzelnen Fragen und Bereichen mag stetig zunehmen, doch die Grundannahmen werden immer verkehrter, was dazu führt, dass den Forschern das Auffinden von stichhaltigen Gesamterklärungen immer schwerer fällt. Die großen Zusammenhänge werden nicht klarer, sondern immer undurchsichtiger, was nicht an Veränderungen in der Wirklichkeit liegt, sondern an der falschen Auffassung derselben in den Erklärungsmodellen und Theorien der Wissenschaftler.
Denn das Komplexe ist nicht das Ziel der Forschung und soll nicht als Ergebnis angestrebt werden, sondern es findet sich im mittleren Bereich der Bestrebungen um Erkenntnis und wird, wenn man die verfolgten Fragen einer Lösung zugeführt hat, in zunehmende Einfachheit aufgelöst. Das ist das letztendliche Ziel aller Forschung. Auch alle großen und revolutionären Einsichten und Erkenntnisse waren ihrer Struktur nach immer sehr einfach, was nicht heißt, dass sie auch immer leicht zu verstehen sind weil sie in großer Allgemeinheit angesiedelt sind.
Denn je allgemeiner eine Aussage ist, umso mehr einzelne Fälle enthält sie unter sich, es lassen sich mehr weniger allgemeine Aussagen darunter subsummieren. Dabei wird die Menge an möglichen Aussagen mit zunehmender Allgemeinheit immer kleiner, während der Umfang der einzelnen Sätze, wie gesagt, größer wird. Je konkreter eine Aussage, auf umso weniger einzelne Fälle lässt sie sich anwenden und die Anzahl solcher Sätze wird mit zunehmender Detailliertheit immer größer und unübersehbarer.
Es ist also an Allgemeinheit und Abstraktion der untere und mittlere Bereich eines Wissensbereiches, in dem sich große Kompliziertheit findet, je abstrakter und allgemeiner man dagegen redet und denkt, umso einfacher werden die Aussagen und umso weniger sichere Sätze lassen sich finden.
Die Grundprinzipien allen Geschehens in der Welt sind immer sehr einfach und für Jedermann verständlich und nachvollziehbar. Diese ausfindig zu machen ist das Hauptziel aller Forschung und nur der Weg dorthin mag oft verworren und unübersichtlich sein. Wer das beklagt und darüber nicht hinauskommt, der geht den Weg nicht bis zum Ende und ist noch nicht am Ziel angekommen. Denn was man gedanklich durchdrungen hat und versteht, erscheint immer zunehmend einfacher.