Ist das Geschehen in der Welt vorherbestimmt und Realisierung von längst festgelegter Vorsehung oder ist alles Zufall oder abhängig von der menschlichen Handlungs- und Willensfreiheit und durch diese beeinflussbar?
Wie alle diese Entweder-Oder-Fragen findet sich die Antwort nicht, wenn man sich für eine Seite entscheidet und die Gründe und Beispiele aus dem Alltag für diese Sichtweise sucht, sondern es finden sich Anhaltspunkte für beides in der Welt. Die Lösung liegt, wie bei allen diesen Fragen, also im Sowohl-Als-Auch und nicht im Entweder-Oder oder gar im Weder-Noch. Zur irreführenden Natur vieler solcher Fragen findet sich mehr in diesem Abschnitt.
Der Zweck dieser Existenz ist, dass der Mensch in ihr im Handeln geprüft wird und damit das sinnvoll geschehen kann, muss er die Möglichkeit haben, in seinen Handlungen zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu wählen. Allerdings müssen für eine solche Beurteilung nicht alle seine Handlungen herangezogen werden, denn im Leben wechseln sich gänzlich freie Entscheidungen mit von Gott bewirkten ab. Nur die freien werden dabei am Ende für das Urteil herangezogen. Dieser Wechsel ist möglich, weil Gott keine Maschine ist, die ein einmal programmiertes Programm abspielt, sondern er verfolgt und begleitet das Geschehen in dieser Welt in Echtzeit und greift bei Bedarf ein und reagiert auch auf die Handlungen der Menschen. Für Näheres zur menschlichen Willensfreiheit siehe diesen Abschnitt.
Wir Menschen stehen unter permanenter Beobachtung und alles, was wir denken, fühlen und tun, wird registriert und aufgezeichnet. Diese Lage des Menschen ist vergleichbar mit einem Raum, in dem man sich befindet und dessen Wände aus einseitig verspiegelten Scheiben bestehen. Der, der im Raum ist, kann jederzeit gesehen werden während er selbst nicht durch die Scheiben sehen kann und nicht in Erfahrung bringen kann, was sich dahinter befindet oder was dort geschieht. Den meisten Menschen ist diese ihre Lage nicht bewusst und vielen ist noch nicht einmal klar, dass es die Scheiben gibt, hinter denen es noch weiter geht.
Alles, was hier geschieht, wird also in Echtzeit verfolgt und wenn nötig, wird Einfluss auf das Geschehen in unserem Raum genommen. Als Mose mit seinem Auftrag zum Pharao gesandt wurde und antwortete, dass man ihn dann töten würde, weil eine Mordklage gegen ihn vorlag, wurde ihm versichert, dass er nichts zu befürchten hat, weil Gott mit ihm anwesend sein wird und hört und sieht. Diese Begleitung hatte nicht nur Mose, sondern sie hat jeder in dieser Welt lebende Mensch, nur wird ihnen das nicht gesagt und wenn man es jemandem sagt, glaubt er es nicht, weil es nicht wahrnehmbar oder anders erfahrbar oder überprüfbar ist. Man ist hier im Unklaren über diese unsere Lage auch wenn sie in den Schriften deutlich und verständlich beschrieben ist.
In vielen Situationen kann der Mensch selbst entscheiden, was er tun will und nur diese eigenen Entscheidungen werden für die Beurteilung am Ende herangezogen, die Dinge, die Gott durch den Menschen bewirkt hat, werden ihm nicht angerechnet. Im Alltag wechseln sich solche Situationen ab und wir haben keine Möglichkeit, sicher zu ergründen, was wir aus eigenem Willen getan haben und was uns Gott tun ließ, denn die Motivationen, die uns zum Handeln bewegen, fühlen sich für uns immer gleich an und unterscheiden sich nicht wahrnehmbar. So kann es z.B. sein, dass einem verurteilten Mörder seine Tat im Endgericht nicht zur Last gelegt wird, weil es Gott selbst war, der sie bewirkt hat und wollte. Er wurde mehr oder weniger gezwungen und war darin nicht frei.
Weil diese Zusammenhänge aber für die Menschen nicht zugänglich sind, ist eine Beurteilung der Menschen untereinander aufgrund ihrer Taten nicht möglich, weshalb es in den Schriften heißt, dass die Menschen es unterlassen sollen, sich gegenseitig zu verurteilen oder zu rühmen. Siehe hierzu auch den Abschnitt über das gegenseitige Verurteilen unter den Menschen. Denn es kann durchaus sein, dass alle Menschen einer Meinung sind, dass jemand sicher schuldig ist und dass er gewiss in die Hölle kommt, weil seine Taten nach allen menschlichen Maßstäben eindeutig schlecht seien und dass er das alles doch schuldlos getan hat, weil Gott es durch ihn bewirkt hat und es damit sein Wille war. Im Koran findet sich dazu der Hinweis auf die Wortwechsel in der Hölle, wo sich einige Insassen wundern, dass dieser oder jener nicht mit ihnen in der Hölle sei, wo sich doch alle sicher waren dass dieser auf jeden Fall in der Hölle sein müsse weil sein Tun in der Welt eindeutig zu verurteilen sei. Er ist aber nicht zu finden und muss deshalb aus den genannten Gründen im Paradies sein. Es gibt also Einige unter den Menschen, die Jeder eindeutig in der Hölle vermuten würde, die dort aber nicht zu finden sein werden. Umgekehrt gilt das auch für das Paradies.
Es gibt grundlegende Dinge, die Gott seit Beginn der Welt festgelgt hat, die sicher geschehen werden und viele davon sind uns in den Schriften mitgeteilt und angekündigt. Gott hätte aber jederzeit die Möglichkeit auch etwas ganz anderes kommen zu lassen. Es gibt niemanden, dem er darüber Rechenschaft ablegen müsste, er könnte jederzeit alles tun, was er will. Darum ist bei manchen Ankündigungen im Koran die Einschränkung beigefügt: ‚Es sei denn, Gott will es anders.‘ Vermutlich wird aber alles so kommen, wie es in den Schriften vorhergesagt ist, denn wäre es nicht sein fester Entschluss, hätte er es nicht angekündigt und sich damit festgelegt.
Vieles, was die Menschen hier tun, hat keinen Einfluss auf die großen, allgemeinen Entwicklungen und so ist Raum für beides in der Welt: Freiheit des menschlichen Handelns und Vorsehung.